Boom auf See: Warum viele Kreuzfahrtgäste gut für die Umwelt sein können

Frühling ist Kreuzfahrtzeit: Im Wochentakt stechen neue Großschiffe in See und stoßen sogar bei der Gen Z auf Begeisterung. Auch, weil die Dreckschleudern immer sauberer werden.
Ein Kreuzfahrtschiff kommt selten allein und gibt sich selten unbescheiden. Gleich zweimal zerschellen am 9. April die Champagnerflaschen an den Bugs zweier Flaggschiffe. Im spanischen Málaga singt Robbie Williams zur Taufe der „Mein Schiff Relax“, in Anwesenheit von zwei weiteren „Mein Schiffen“. Auf der anderen Seite des Ozeans, in Miami, werden die Hollywood-Stars Drew Barrymore und Orlando Bloom die neue „MSC World America“ symbolisch benetzen.
Neue Kreuzfahrtschiffe, nicht ganz so riesig
Weil in Florida gerade die größte Kreuzfahrtmesse der Welt stattfindet, ist es auch kein Zufall, dass Konkurrent Aida von dort aus den Bau von zwei neuen Schiffen ankündigt. Die sollen nicht ganz so riesig werden wie die „Aida Cosma“, aber größer als die „Aida Prima“. Jeweils 2100 Gästekabinen werden die beiden Neubauten erhalten, die Fertigstellungen sind für Anfang 2030 sowie Ende 2031 geplant.
Im März war Aida-Chef Felix Eichhorn Fragen zu diesem Thema noch lächelnd ausgewichen. Da saß er zusammen mit seiner Führungsriege vor der Küste Italiens auf der „Aida Diva“. Auf einem Schiff, das fast 20 Jahre auf dem Buckel hat, nun aber frisch renoviert aus Marseille eine Art Zweitjungfernfahrt absolviert. „Es ist uns wichtig, auch diese Schiffsgeneration in die Zukunft zu bringen“, sagt Eichhorn.
Frischzellenkur für 100 Millionen Euro
Obwohl sich auch die Rostocker nicht dem branchenüblichen Größenwahn entziehen wollen, bleibt die sogenannte Sphinx-Klasse die Brot-und-Butter-Flotte des Unternehmens. Rund die Hälfte aller Gäste ist einem ihrer sieben Schiffe unterwegs, zu der neben der „Aida Diva“ unter anderem auch die „Aida Luna“ und „Aida Bella“ gehören.
Auch diese beiden werden bald einer Frischzellenkur unterzogen. Jeweils knapp 100 Millionen Euro kostet das. Dafür gibt es neue Kabinen – Gäste und Crew – neue Restaurants, mehr Platz im Wellnessbereich und an den Bars. Aber auch eine neue Trinkwasseranlage und Wäscherei sowie „einen umweltfreundlichen Außenanstrich, der Energie einspart“, so Eichhorn.
Dass in die Jahre gekommene Ozeandampfer saniert werden, ist nicht ungewöhnlich, doch Reeder bauen auch gerne neu, als Zeichen für schieren Optimismus. Tatsächlich bleibt die Nachfrage nach einem Bett auf dem Wasser riesig: Kreuzfahrten ist die wachstumsstärkste Branche innerhalb des Tourismus, auch weil die Passagiere Wiederholungstäter sind. 80 Prozent planen innerhalb von einem Jahr schon die nächste Fahrt, und sogar zwei Drittel der Generation Z liebäugeln mit einem Kreuzfahrttrip.
75 Kreuzfahrtschiffe sind in den vergangenen acht Jahren in Dienst gestellt worden, und oft genug war jeder neue Stapellauf auch die Warnung vor dem nächsten Ungeheuer der Meere: noch länger, höher, breiter, noch mehr Passagiere, noch mehr Hochseilgärten, Wasserparks, Restaurants und Sonnendecks.
Drei größte Kreuzfahrtschiffe in sechs Jahren
Als 2022 die „Wonder of the Seas“ in Dienst gestellt wurde, löste sie die nur vier Jahre ältere „Symphony of the Seas“ als größtes Kreuzfahrtschiff der Welt ab. Anfang vergangenen Jahres wiederum setzte sich die „Icon of the Seas“ an die Spitze der Mega-Ozeandampfer, und wenn die Entwicklung so weitergeht, dann werden 2050 Schiffe vom Stapel laufen, auf denen 10.000 Menschen Platz haben – 40 Prozent mehr als jetzt. „Cruisezillas“ nennen manche die Boote von der Größe einer Kleinstadt.
Felix Eichhorn kann über solche Befürchtungen nur lächeln. „Als die ‚Aida Diva‘ 2007 getauft wurde, war vom ‚Größenwahn im Kreuzfahrtbereich‘ die Rede. Und einige bezweifelten, dass es überhaupt genug Passagiere geben würde. Heute gehört die ‚Aida Diva‘ zu den kleinen Schiffen“, so der Präsident von Aida Cruises.
Dass Reedereien wie Royal Caribbean aus den USA mit ihren „of-the-Sea“-Monstern von einem Rekord zum nächsten jagen, ist für Experten durchaus sinnvoll. Denn je größer die Kreuzfahrtschiffe, desto lukrativer werden sie.
Dennoch kämpft die Branche mit eben diesem Wachstum. „Das größte Kreuzfahrtschiff der Welt zu haben, mag aus Marketingsicht attraktiv sein. Anderseits können solche Superlative bei gewissen Kundengruppen, vor allem aber auch bei Kreuzfahrtkritikern abschreckend wirken. Das Streben nach Gigantomanie ist gesellschaftlich in weiten Kreisen nicht mehr so ausgeprägt, wie es das vielleicht früher einmal war“, sagt Kreuzfahrtexperte Thomas P. Illes.
Manche Megaschiffe sind nicht willkommen
Es gibt Städte wie Nizza, Venedig oder Barcelona, die lassen die Hotelpötte gar nicht mehr anlanden oder nur noch in begrenzter Zahl. Denn als Tagesgäste bringen die Passagiere verhältnismäßig wenig Geld ein, weil an Bord „All Inclusive“ zur Verfügung steht. Restaurantbesuche fallen also aus, dafür aber verstopfen sie als Ausflügler Straßen und Plätze.
„Man möchte solche Megaschiffe auch nicht an Orten wie beispielsweise Santorini oder Dubrovnik sehen, wo das Verhältnis zwischen Einwohner- und Passagierzahl noch mehr aus dem Ruder laufen würde, wie das zuweilen schon heute mit mittelgroßen Schiffen der Fall ist“, so Illes.
Was zudem gerne unterschätzt wird, ist der enorme Aufwand, den die Kreuzfahrtriesen verursachen. Flughäfen und die Bahn brauchen Kapazitäten, um Gäste und die Crew hin- und wegzubringen. Lebensmittel müssen herangeschafft werden, ebenso der Treibstoff. Je gigantischer die Schiffe, desto weniger Häfen sind überhaupt noch in der Lage, sie abzufertigen.
Und dann gibt es immer noch die Sache mit dem Klimaschutz. Kreuzfahrtschiffe gelten als Dreckschleudern – wobei ihr Anteil an der Gesamtschifffahrt nicht einmal ein Prozent beträgt und am Gesamttourismus rund zwei Prozent. Doch auch als Nischenprodukte dieseln sie Häfen und Städte mit Bunkerölabgasen zu.
Zwei Drittel der Energie eingespart
Den Reedern ist das Problem bewusst, gerne weisen sie darauf hin, dass der durchschnittliche Energieverbrauch eines Kreuzfahrtschiffs in den vergangenen 20 Jahren und zwei Drittel gesunken ist. Eine beeindruckende Entwicklung, die aber nichts am schlechten Umweltruf der Schiffe ändert. Seit 2018 können immer mehr Neubauten mit Flüssiggas betrieben werden, mittlerweile ist der LNG-Antrieb eher Standard als Ausnahme.
Flüssiggas gilt zwar auch nicht als umwerfend umweltfreundlich, aber immerhin als Übergangstechnik für alternative Antriebe. Perspektivisch sei auch Aida auf „künftige Bio- und E-Fuels vorbereitet“, sagte Felix Eichhorn bei der Ankündigung der Schiffsneubauten. Das größte Problem sei jedoch, so Kreuzfahrtexperte Illes: „In welchen Häfen gibt es welche grünen Treibstoffe? Wie grün sind diese wirklich? Auch in der Herstellung? Zu welchen Preisen, zu welchen Konditionen und in welcher Menge?“
„Es nützt nichts, wenn der eine Hafen Methanol anbietet, der nächste LNG und der dritte Ammoniak. Da muss ein Konsolidierungsprozess stattfinden, alternative Treibstoffe müssen überall und verlässlich verfügbar sein. Dazu braucht es staatliche Entscheidungen“, sagt Eichhorn. Auch beim Landstrom, mit dessen Hilfe am Liegeplatz die Motoren ausgeschaltet bleiben können, sieht das Angebot noch mau aus. Von den 300 Häfen, die die Aida Cruises anläuft, haben bislang nur 13 Landstrom. „Aber es tut sich etwas, vor allem in Nordeuropa“, so der Unternehmenschef.
Bei Gäste-Ansturm saubere Kreuzfahrt
Bis die Kreuzschifffahrt wirklich nachhaltig ist, wird wohl noch viel Wasser an die Küsten geschwemmt werden. Doch der generelle Boom und der Trend zu immer größeren Schiffen, führt nicht nur zu sinkenden Preisen, sondern auch zu Innovationen, mit der sich die sonst eher konservative Schifffahrt schwertut. Überspitzt gesagt: Je mehr Menschen auf Kreuzfahrt gehen, desto sauberer wird sie.
Transparenzhinweis: Eine Recherchereise wurde unterstützt von Aida.