Bundesliga: „Unnormale Summen“: Wie junge Basketballer in die USA ziehen

Über zwei Meter groß, talentiert und geboren in Würzburg: Hannes Steinbach hat einiges mit Dirk Nowitzki gemeinsam. Die Bundesliga fürchtet, dass ihr solche Talente künftig schneller abhandenkommen.
Dafür, dass er schon als nächster Dirk Nowitzki gehandelt wird, kommt Hannes Steinbach reichlich bescheiden daher. Der 18-Jährige lebt in einer Wohngemeinschaft in Würzburg und fährt den kurzen Weg ins Trainingszentrum am Stadtrand ganz gemütlich mit dem Rad.
Mit einer Bäckertüte in der Hand begrüßt das Basketball-Talent Teamkollegen und Mitarbeiterinnen – doch spätestens beim Weg in die Halle wird Steinbach klar, in welche Fußstapfen er ab diesem Sommer zu treten versucht: Bilder des ehemaligen NBA-Meisters Nowitzki sowie von Maximilian Kleber hängen an den Wänden. Beide sind Würzburger und beide haben den beschwerlichen Weg in die beste Liga der Welt erfolgreich vollbracht.
Bundesliga-Boss: „Ein echter Exodus“
Steinbach wird sein beschauliches Leben in der fränkischen Heimat in diesem Sommer ebenfalls hinter sich lassen und ans College nach Washington wechseln. Grund dafür ist zum einen die sportliche Perspektive – aber auch die Finanzen spielten eine Rolle. „Das ist sehr schwierig für die Bundesliga, weil es auf dem College unnormale Summen gibt“, sagte Steinbach der Deutschen Presse-Agentur.
Diese „unnormalen Summen“ dürften für die Bundesliga schnell zu einem großen Problem werden. Wenn Talente in den USA für die beste Liga der Welt vorspielen dürfen und dabei auch finanziell deutlich mehr einstreichen als im europäischen Profibetrieb, sind junge Spieler nicht mehr lange zu halten.
„Das ist ein echter Exodus. Als BBL allein können wir da nicht wirklich etwas tun. Das ist ein internationales Problem, deshalb haben wir den Weltverband Fiba adressiert“, sagte Liga-Geschäftsführer Stefan Holz.
Spieler können nach Ausbildung zurückkommen
Das Problem trägt die Buchstaben N, I und L und steht für die englischen Begriffe „naming“, „image“ und „likeness“. Seit Juli 2021 dürfen College-Sportler von ihrem Namen und ihrem Bild finanziell profitieren. So sind die USA seit dem Urteil des obersten Gerichtshofs zu einer Art Rundum-Sorglos-Paket in Sachen Basketball-Ausbildung geworden.
„Es muss eine Lösung gefunden werden, wo die College-Liga NCAA bei Wechseln finanziell in der Pflicht ist, so wie es bei Transfers zwischen einzelnen Clubs ja auch der Fall ist“, forderte Funktionär Holz. Momentan seien „die Spielerverträge das Papier nicht wert, wenn die Spieler einfach so ans College gehen können“. Neben Steinbach zieht es unter anderem auch Braunschweigs Sanana Fru und Ludwigsburgs Jacob Patrick ans College.
Die Spieler könnten nach der Ausbildung zwar zurückkommen. „Für den Moment sind sie für uns aber erst einmal verloren.“ Es gehe dabei um Spieler, die national ausgebildet wurden und „sich zu Gesichtern der Liga entwickeln könnten“, sagte Holz.
Steinbach nimmt Nowitzki-Vergleich mit Humor
Das gilt für den Würzburger Steinbach allemal. Der U18-Europameister kann in seiner ersten Saison bereits bei den Bundesliga-Profis voll mithalten – und empfiehlt sich für höhere Aufgaben. An der University of Washington erwartet ihn ein College, an dem in Chris Welp, Patrick Femerling und Detlef Schrempf schon andere Deutsche ausgebildet wurden. Schrempf ist heute noch gelegentlich vor Ort und könnte für Steinbach zu einer Art Mentor werden.
Steinbachs Vater Burkhard, der den Spitznamen „Koloss von Moos“ trägt, hat mit dem großen Nowitzki in Deutschland zusammengespielt. Der talentierte Junior kennt den erfolgreichsten deutschen Spieler so noch aus seiner Kindheit. „Die Vergleiche kommen immer sehr früh und schnell. Die Vergleiche nehme ich mit Humor“, sagt Steinbach, wenn er wieder und wieder als nächster Nowitzki gesehen wird.
Denn: Sportlich fehlt noch einiges, um der nationalen Ikone nachfolgen zu können. Steinbach (2,04 Meter) ist einige Zentimeter kleiner als Nowitzki (2,13 Meter). Ihm fehlt zudem der Dreipunktewurf, der in der heutigen NBA quasi Voraussetzung ist. Die harte Arbeit, die er als Jugendlicher einst auf dem heimischen Bauernhof für das erste Taschengeld leisten musste, steht Steinbach am College auch bevor – bei der Entwicklung seines Spiels.
Hartenstein warnt vor „kurzem Geld“
Ein Deutscher, der den Sprung in die NBA ohne College geschafft, ist Isaiah Hartenstein. Seit sieben Jahren hat sich der Center in der besten Liga der Welt festgespielt – in diesem Jahr könnte er mit Hauptrundensieger Oklahoma City Thunder als erster Deutscher nach Nowitzki Meister werden.
Hartenstein warnt vor einem voreiligen Wechsel ans College. „Jetzt mit dem College, da müssen die deutschen Spieler gucken, ob sie das kurze Geld haben wollen, oder das langfristige Geld“, sagte der 26-Jährige. Viele junge Athleten seien am College sportlich hängengeblieben. „In Europa kommt man schneller in die NBA, kommt schneller auf dieses Level“, sagte Hartenstein. Im Vergleich zu den Top-Verträgen in der NBA sind die Saläre am College Peanuts.