Blick hinter die Kulissen: Vom Fahrrad bis zur Babywindel: Shoppen bei der Polizei

Die Polizei, dein Freund und Händler: Was Beamte beschlagnahmen, landet oft in der Asservatenkammer. Nur wenige wissen, dass von dort einiges in Onlineshops wandert. Die Bandbreite ist erstaunlich.

Warum nicht mal shoppen bei der Polizei? „Wenn Sie einen Reifenwechsel planen, schauen Sie bei uns vorbei: Vielleicht haben wir einen passenden Satz“, sagt Polizeihauptkommissar Bernhard Christian Erfort und schmunzelt. Aber der 56-Jährige scherzt nicht: Im Internet bietet die Polizei Rheinland-Pfalz überraschend viel zum Verkauf an – von Fahrrädern über Kleider bis eben hin zu Autoreifen. 

Es sind Gegenstände mit Vergangenheit: Manche stammen von Verbrechen und sind nicht mehr zuzuordnen. Dann landen sie in der Asservatenkammer. Dieser Begriff dürfte TV-Zuschauern ein Kribbeln verschaffen: In Actionfilmen werden Mordwerkzeuge, Rauschgift und Beweise von Tatorten dort verstaut. 

In Kaiserslautern steht an diesem März-Tag Christina Kölsch in der sonst fest verschlossenen Kammer des Polizeipräsidiums Westpfalz. Vieles ist hier zu sehen: gestapelte Kartons, Gegenstände in Regalen, auf dem Boden, in Schränken – aber keine Waffen.

Wo die Drogen und die Waffen sind

„Die gefährlichen Sachen lagern wir andernorts, bis die Justiz sie freigibt“, sagt Kölsch. „Dann werden sie unter Begleitung vernichtet. Drogen etwa landen in der Müllverbrennung.“ Kölsch ist quasi die Herrin der Asservatenkammer und stellvertretende Leiterin Referat PV 4 – Haushalt/Finanzen.

In Krimis steigen Gangster schon mal in die Asservatenkammer ein, um an Drogen oder Pistolen zu gelangen. In Kaiserslautern kommt man einfacher an Asservate: über den Onlineshop der Polizei. Hier erwirbt man Neues oder zumindest Neuwertiges zu günstigen Preisen – zum Beispiel Fußkettchen für sechs Euro, eine rotierbare LED-Deckenlampe und Regenjacken für je zehn Euro sowie gebrauchte Fahrräder für 25 Euro.

„Unser Sortiment geht vom Lippenstift über Windeln und Weihnachtsdekoration bis zum Werkzeugkoffer“, sagt Kölsch. Diese Gegenstände werden meist bei Festnahmen nach Ladendiebstählen oder Online-Betrügereien sichergestellt – doch woher genau stammen sie? „Das lässt sich oft nicht mehr feststellen, daher können wir sie nicht konkret zurückgeben.“

Vor ihrer Zeit in Kaiserslautern war Kölsch im Polizeipräsidium Rheinpfalz tätig. Den Asservatenverkauf kannte sie von dort – Ludwigshafen hatte bereits eine Internetseite, auf der Asservate unter den Hammer kamen. „Sie regte an, das auch bei uns umzusetzen“, erzählt Erfort.

In Ludwigshafen, so teilt das dortige Polizeipräsidium mit, werden Asservate online versteigert, aber auch im für die Öffentlichkeit zugänglichen Bereich des Präsidiums ausgehängt. Und wie handhaben es die weiteren Stellen im Bundesland? Das Polizeipräsidium Trier etwa nutzt die Plattform Zoll-Auktion.de. Im Polizeipräsidium Einsatz, Logistik und Technik in Mainz und beim Landeskriminalamt (LKA) gibt es hingegen keinen Asservatenverkauf.

Wo das Geld landet

In Kaiserslautern steht Christina Kölsch an diesem Tag inmitten einer Reihe von Fahrrädern. Deren Herkunft klingt kurios: „Wenn die Polizei einen Betrunkenen auf dem Fahrrad erwischt, stellt sie das Rad sicher, damit er nicht weiterfährt“, schildert sie. „Es gibt aber Menschen, die holen ihr Rad nicht ab. Die werden angeschrieben, angemahnt: „Holen Sie es bitte ab.“ Aber oft hört man nichts.“

Hauptkommissar Erfort zufolge darf die Polizei das Fahrrad öffentlich anbieten, wenn eine gewisse Frist verstrichen ist. „Das Geld aus allen Verkäufen landet im Landeshaushalt Rheinland-Pfalz.“ Und was geschieht mit Gegenständen, die niemand möchte? „Ladenhüter spenden wir an karitative Einrichtungen“, sagt Erfort. „Und Lebensmittel oder leicht Verderbliches wandert in der Regel gleich in den Abfall.“

Und wie kommt man an die „heiße Ware“? „Sie teilen per E-Mail Ihren Kaufwunsch mit, überweisen und kommen dann vorbei“, sagt der Polizist. Dass das Ganze durchaus ungewöhnlich ist, räumt der Hauptkommissar ein. „Wer hat schon Sommerreifen oder Babywindeln von der Polizei?“