Negative Strompreise: Negativpreis an der Börse: Stromanbieter zahlen Kunden Geld

Ein Autofahrer betankt seinen Wagen, doch statt bezahlen zu müssen, erhält er für jeden Liter Benzin Geld. Unvorstellbar. Doch E-Auto-Besitzer konnten das erleben – wegen negativer Börsenstrompreise.

Extreme Ramschpreise für Strom an der Börse haben jüngst einige Stromkunden frohlocken lassen: Statt zahlen zu müssen, haben sie für jede verbrauchte Kilowattstunde Geld erhalten. Beim ostdeutschen Energieversorger EnviaM war der Endkundenpreis am 11. Mai im dynamischen Tarif von 12.00 bis 15.00 Uhr negativ mit bis zu -11,4 Cent je Kilowattstunde inklusive aller gesetzlicher Umlagen, Netzentgelte und Vertriebskosten. Ein ähnliches Bild gab es auch bei anderen Stromanbietern. 

Negative Börsenpreise sind keine Seltenheit, etwa wenn viel Strom aus Solar- und Windanlagen auf eine geringe Nachfrage trifft. Zum Beispiel an Feiertagen. Laut europäischer Strombörse Epex Spot gab es voriges Jahr 459 Stunden mit negativem Preis am sogenannten Day-Ahead Markt. Dort wird im Großhandel der Strom für den nächsten Tag gehandelt. Am Spotmarkt war der Strompreis am Muttertag auf bis zu minus 25 Cent je Kilowattstunde abgerutscht. 

Dynamische Tarife an Börsenstrompreis gekoppelt

Dass aber auch der Endkundenpreis ins Minus rutscht, ist eine Besonderheit. Seit Einführung des Tarifs „Mein Strom Vision“ im Februar 2024 sei dies das erste Mal gewesen, erklärte EnviaM-Sprecherin Cornelia Sommerfeld auf dpa-Anfrage. Allerdings nur zeitweise: Am Abend lag der Strompreis auch für diese Kunden wieder über 30 Cent. 

Der Chemnitzer Energieversorger Eins spricht ebenfalls von einem Novum. Der Preiseffekt für die Kunden sei je nach Postleitzahl verschieden und habe sich an dem Tag zwischen 12.00 und 14.00 Uhr um die 0 Cent je Kilowattstunde bewegt. Genauere Angaben, wie viele Kunden einen solchen Tarif nutzen und wie sie von dem Tief an der Börse profitiert haben, wollte das Unternehmen „aus wettbewerblichen Gründen“ nicht machen. Der Anbieter Sachsenenergie sah sich zu keiner Auskunft imstande. 

Verbraucherschützer: Risiko überwiegt

Seit Jahresbeginn müssen Stromversorger dynamische Tarife anbieten, die an den kurzfristigen Börsenstrompreis gekoppelt sind. Voraussetzung sind intelligente Stromzähler, die aktuelle Verbrauchsdaten übermitteln. Die Zahl dieser Kunden beim Stromversorger EnviaM ist bisher vergleichsweise gering. Das Unternehmen spricht von einem „hohen dreistelligen Kundenkreis“.

Verbraucherschützer sehen solche Tarife kritisch, denn die Preise können etwa bei einer Dunkelflaute auch stark in die Höhe schießen. Das Risiko trägt der Stromkunde. Mehrwert böten sie vor allem für Haushalte mit hohen und zeitlich flexiblen Verbräuchen, etwa durch Elektroautos, Wärmepumpen oder Batteriespeicher, heißt es auf der Internetseite des Verbraucherzentrale Bundesverbands: „Für „normale“ Haushaltskunden überwiegt das Risiko steigender Preise die Vorteile bei weitem.“