Globale Erwärmung: Europas Klimaflüchtlinge sind bald … Weinbauern?!

Der Klimawandel dörrt Länder rund ums Mittelmeer aus. Betroffen sind vor allem Winzer in Spanien oder Frankreich. Ihr Kampf um die Reben ist bereits ein Kampf um ihre Existenz.
Auf mehr als 1000 Hektar Land wachsen Stolz und Lebensversicherung der Familie Torres. Die fünfköpfige Gruppe ist eines von Europas traditionsreichsten Weinunternehmen in der zweiten Generation. Ihr Wein kommt überwiegend aus Katalonien, aber auch aus anderen Regionen Spaniens. Sogar in Chile und Kalifornien wachsen ihre Weinstöcke.
Seit dem 16. Jahrhundert haben Generationen der Torres edle Tropfen angebaut, aber erst 1870 ein Geschäft daraus gemacht. Und die Familie hofft, dass das bis zur sechsten Generation so bleibt.
Wäre da nicht der Klimawandel.
Über 1000 Sonnenstunden pro Jahr, durchschnittliche Temperaturen von mindestens 15 Grad bis 18 Grad und jährliche Niederschläge von 400 bis 500 Millimetern – unter diesen Voraussetzungen gedeihen die Reben am besten. Doch die globale Erderwärmung bringt die Witterung durcheinander. Starkregen, Hagel, Frost im Frühjahr und Dürren haben der Branche massiv geschadet.
2024 war die weltweite Weinerzeugung wegen des Extremwetters so niedrig wie seit mehr als 60 Jahren nicht mehr, klagt der Branchenverband Internationale Organisation für Rebe und Wein (OIV). Verglichen mit dem Vorjahr produzierten die Weinbauern knapp fünf Prozent weniger. Vor allem Frankreich erlebte einen historischen Tiefstand.
Wie lange gibt es noch Wein aus Katalonien?
Auch für die Winzer in Spanien, dem drittgrößten Weinerzeuger in der EU, wird die globale Erwärmung nun jährlich zur Existenzfrage. Denn der Klimawandel trocknet ihre traditionellen Anbaugebiete einfach aus. „Ich weiß nicht, wie lange wir hier noch gute Weine machen können, vielleicht 20 oder 30 Jahre. Der Klimawandel verändert alle Umstände“, sagt der Chef des Familienunternehmens in Katalonien, Miguel Torres, gegenüber dem britischen „Guardian“. In den vergangenen 40 Jahren sei die Temperatur in ihren Anbauregionen um einen Grad gestiegen, die Weinlese beginnt jetzt zehn Tage früher.
Elf Prozent seines Gewinns investiert das Unternehmen deshalb in Anpassungsmaßnahmen. Bewässerungs- und Waseserrecyclinganlagen sollen die spärlicher werdende Ernte retten. In einigen Regionen seien die Weinerträge schon um 50 Prozent zurückgegangen, sagt Torres. Erholt haben sie sich bis heute nicht.
Will die Familie ihr Traditionsunternehmen aber langfristig retten, muss sie wohl umsiedeln und ihre Weinberge „mehr nach Westen verlegen, weil es dort kühler ist und wir Wasser brauchen“.
Schätzungen der Weltbank zufolge könnten im Jahr 2050 bis zu 143 Millionen weltweit vor den Folgen des Klimawandels flüchten. Vor allem Regionen in Asien oder Afrika dürften demnach entweder vom steigenden Meeresspiegel überschwemmt oder wegen anhaltender Dürren verwüstet worden sein. Auch in Europa machen sich die Folgen Erderwärmung deutlich bemerkbar, vor allem im Mittelmeerraum.
Europa will seine Winzer vor dem Klimawandel retten
Der Klimawandel zerstört Handel und Existenzen, deshalb ist für Torres klar: „Wenn wir künftig eine kontinuierliche Ernte haben wollen, müssen wir die Erwärmung stoppen.“ Denn irgendwann, auch das ist klar, können die Weinbauern die Maßnahmen zum Schutz ihrer Pflanzen nicht mehr stemmen.
Schon jetzt schmälern die Kosten für die Bewässerung den Gewinn auf einem Markt, der ohnehin hart umkämpft ist: Der weltweite Weinkonsum geht zurück. Der Trend hat wirtschaftliche Gründe, wie die Inflation, aber auch Konsumverhalten und Lebensstil der Kunden haben sich verändert. Dadurch kommt es zur Überproduktion – die Weinproduzenten werden ihre Tropfen nicht mehr los. Zölle, wie sie etwa das Vereinigte Königreich erhebt, oder Verpackungssteuern belasten die Winzer zusätzlich.
Die EU-Kommission will gegensteuern, etwa indem Weinstöcke gerodet werden dürfen, wenn eine Überproduktion droht. Zudem will Brüssel den Weintourismus ankurbeln. Produkte mit wenig oder ganz ohne Alkohol sollen einfacher beworben werden. Und gegen den Klimawandel soll die Branche mehr finanzielle Unterstützung bekommen. Dafür will die EU-Kommission die Regeln für Hilfsgelder in diesem Bereich ändern.
Fragt sich nur, ob Europa die Kosten, die durch den Klimawandel auf den Kontinent zukommen, dauerhaft stemmen können wird. Schlimmstenfalls müssen Winzer wie die Torres ihre Traditionsunternehmen in ein paar Jahrzehnten ganz einstellen.