Bundesgerichtshof: Nach Angriffen auf Neonazis – BGH entscheidet zu Lina E.

Muss sich das Oberlandesgericht Dresden noch einmal mit Lina E. beschäftigen – oder muss die Linksextremistin zwei Jahre nach ihrer Verurteilung ins Gefängnis? Der BGH hat den Fall geprüft.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Verurteilung der Linksextremistin Lina E. unter die Lupe genommen – und will heute in Karlsruhe seine Entscheidung verkünden. Wenn es nach dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden geht, soll E. wegen mehrerer Angriffe auf tatsächliche und vermeintliche Anhänger der rechten Szene zwischen 2018 und 2020 in Sachsen und Thüringen ins Gefängnis. Die Angeklagte selbst wird zum heutigen Urteil nicht erwartet.
Im Mai 2023 hatte das OLG Dresden Lina E. unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung schuldig gesprochen. Es verhängte eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Das Urteil löste bundesweit heftige Proteste in der linksradikalen Szene aus. Gegen das Urteil legten sowohl die Bundesanwaltschaft als auch die Verteidigung der heute 30-Jährigen Revision ein.
Muss das OLG neu verhandeln?
Im Februar verhandelte der BGH in Karlsruhe daher mündlich zu der Sache. Beide Seiten beantragten dort, unterschiedliche Teile des mehr als 400 Seiten langen Urteils aufzuheben und zur neuen Entscheidung zurückzuverweisen.
Ein Argument dabei ist, dass der BGH nach dem Dresdener Urteil seine Rechtssprechung zur Bewertung weiterer Taten bei Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung geändert hat. Außerdem ging es um die Frage, ob E. als Rädelsführerin agierte. Das OLG hatte ihr zwar eine herausgehobene Stellung in der Gruppe attestiert, eine Rädelsführerschaft aber verneint.
Vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich am Tag der Verhandlung einige Dutzend Sympathisanten von E. zu einer Kundgebung versammelt, zahlreiche Polizisten waren im Einsatz. Das Gericht hatte für die Verhandlung die Anmelde- und Zugangsregelungen für Pressevertreter und Zuschauer verschärft. Auch für die Verkündung gelten diese strengeren Regeln.
BGH prüft Rechtsfehler
Die obersten Strafrichterinnen und -richter Deutschlands prüfen das Urteil des OLG ausschließlich auf Rechtsfehler. Es wurden also keine Zeugen gehört oder neuen Beweise erhoben. Der Senat könnte das Urteil der Vorinstanz nun bestätigen, selbst abändern, oder es – ganz oder in Teilen – aufheben und nach Dresden zurückverweisen.
Lina E. ist derzeit auf freiem Fuß. Der Haftbefehl gegen sie wurde mit dem Dresdner Urteil 2023 unter Auflagen außer Vollzug gesetzt – nach zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft kam sie also trotz der verhängten Freiheitsstrafe zunächst frei. Die Reststrafe muss sie erst verbüßen, wenn das Urteil rechtskräftig werden sollte.