Gesellschaft: Mehr Freiheit beim Familiennamen – mehr Arbeit für das Amt

Mit oder ohne Bindestrich? Kernstück der Reform des Namensrechts sind neue Regeln für Doppelnamen. Scheidungskinder können leichter den Nachnamen ändern. Was berichten Standesbeamte aus der Praxis?
Das neue Namensrecht bringt Ehepartnern, Familien und Kindern deutlich mehr Freiheiten bei der Wahl des Nachnamens. Für Hessens Standesämter bedeutet die Reform zusätzliche Herausforderungen. Zum einen stieg die Zahl der Anfragen deutlich, wie eine dpa-Umfrage ergab. Zum anderen gibt es nach den ersten Erfahrungen der Standesbeamtinnen und -beamten teils noch rechtliche Unklarheiten bei den neuen Regeln, die seit 1. Mai 2025 gelten.
Unter anderem dürfen Ehepartner nun einen gemeinsamen Doppelnamen mit oder ohne Bindestrich führen. Bislang konnte nur ein Ehepartner dies tun und musste einen Bindestrich einfügen. Scheidungs- und Stiefkinder dürfen eine Namensänderung von Mutter oder Vater unkompliziert für sich übernehmen. Volljährige Kinder können vom Nachnamen eines Elternteils zum Nachnamen des anderen Elternteils wechseln.
Darmstadt verzeichnete einen deutlichen Anstieg bei den Anträgen für Namensänderungen, wie ein Sprecher mitteilte. In diesem Jahr seien es bis Anfang Juni bereits 176 Fälle gewesen. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres hatte es 79 Anträge gegeben. Aktuell seien bis zu fünf Beschäftigte einschließlich der Leitung des Standesamtes damit beschäftigt. „Der Austausch hierzu ist sehr zeitintensiv“, erklärte der Sprecher.
Mehr Neugeborene bekommen Doppelnamen
Viele Anträge kämen von volljährigen und nicht volljährigen Kindern von geschiedenen Ehepartnern, die den Geburtsnamen in der Regel der Mutter annehmen wollten, hieß es aus dem Darmstädter Rathaus. Bei der Beurkundung von Neugeborenen werde vermehrt die Möglichkeit des Doppelnamens gewählt, bestehend aus dem Namen des Vaters und dem der Mutter.
Auch das Wiesbadener Standesamt berichtet von einer erhöhten Anzahl von Anfragen, für mehr als 100 konkrete Änderungswünsche gibt es den Angaben zufolge inzwischen einen Termin. Besonders häufig werde der Doppelname der Ehegatten bei bereits bestehender Ehe beantragt, teilte ein Sprecher mit. Nach den Erfahrungen aus der Landeshauptstadt hat das Gesetz Regelungslücken, die eine eindeutige Auslegung nicht zulassen. „Hier bedarf es bei einigen Fällen die Klärung durch Gerichte.“
Standesamt Kassel berichtet von „Run“
In Kassel haben im Mai 2025 bereits rund 70 Menschen eine Änderung des Ehe- oder Geburtsnamens beantragt, wie die Stadt mitteilte. Im gesamten Jahr 2024 habe es 246 Fälle gegeben. „Bleibt der aktuelle Run so bestehen, kann man von einer guten Verdreifachung der Erklärungen sprechen.“ Am häufigsten seien Wünsche nach einem neuen Nachnamen von Kindern, bei denen die Ehe der Eltern aufgelöst worden sei, ergänzte die Stadt. Aber auch Anträge von Volljährigen für einen neuen Familiennamen kämen öfter vor.
Bereits bevor das Gesetz in Kraft getreten sei, habe es deutlich mehr Anfragen bezüglich möglicher Namensänderungen gegeben, berichtete die Amtsleiterin des Frankfurter Standesamtes, Andrea Hart. „Wir haben uns sehr gut vorbereitet und eine Arbeitsgruppe gebildet.“ Frankfurt biete seinen Bürgern einen umfassenden Online-Service mit Informationen und Kontaktformular.
Das Frankfurter Standesamt geht nach den Worten von Hart davon aus, dass die höhere Nachfrage beim Thema Namensänderung bestehen bleiben wird. Im Leben der Menschen träten ja immer neue Situationen ein, die den Wunsch nach einem anderen Nachnamen wecken könnten – etwa wenn sich die Eltern scheiden ließen.
Die Änderungen im Arbeitsalltag des Standesamtes hätten schon weit vor dem 1. Mai eingesetzt, da Anmeldungen und Informationsgespräche im Voraus stattfänden, erklärte eine Sprecherin der Stadt Marburg. „So sahen sich die Standesämter der Situation gegenüber, die Gesetzesänderungen im Voraus zu erklären, ohne Kommentare oder Verwaltungsvorschriften bereits vorliegen zu haben.“
Was gilt für Altfälle?
Aufgrund der Beratungspflicht und der vielfältigen neuen Möglichkeiten liege der Zeitaufwand um ein Vielfaches höher als früher, erläuterte die Sprecherin. Bei Einführung neuer Gesetze stelle sich fast immer die Frage nach den Möglichkeiten für Altfälle. Zum Beispiel, ob ein Ehename vom Namen des Mannes zum Namen der Frau getauscht werden könne, wenn die Ehe vor dem Mai 2025 geschlossen worden sei? Antworten zu solchen Fragen müssten oft unter Vorbehalt erfolgen.
Namenskonfigurator als mögliche Hilfestellung
„Eine Gesetzesänderung ist immer eine neue Herausforderung“, heißt es aus der Stadtverwaltung Offenbach. Zu dem neuen Namensrecht habe es Schulungen des Bundesverbandes der Standesbeamtinnen und Standesbeamten gegeben. Der Verband habe auch einen Namenskonfigurator ins Netz gestellt, der im Zweifelsfall bei der Bestimmung eines Ehenamens behilflich sein könne.