Meinung : Jeff Bezos heiratet, Venedig bebt vor Wut – aber warum eigentlich?

Multimilliardär Jeff Bezos heiratet in Venedig seine Lauren Sánchez, und in der Stadt tobt der Protest gegen das Paar. Doch die Venezianer übersehen etwas Entscheidendes.
Es könnte die zweitromantischste Hochzeit des Jahres werden, nach der von Trash-Star Steffi Schaller („Ex on the Beach“): Multimilliardär, Amazon-Gründer und Weltraumcowboy Jeff Bezos will in Venedig zum zweiten Mal „Ja“ sagen. Gleich drei Tage soll die Hochzeit mit der Ex-Fernsehmoderatorin Lauren Sánchez Ende Juni dauern und damit länger als eine Paketlieferung mit Amazon Prime.
Dafür hat Bezos mal eben eine Insel, eine Kirche aus dem 16. Jahrhundert, fünf Luxushotels, eine Flotte von Wassertaxis und seine 500 Millionen schwere Yacht reserviert. Kosten: Zwischen sieben und zehn Millionen Dollar. Vielleicht hat Bezos sich noch nicht entschieden, ob er und Sánchez lieber mit vergoldetem Reis oder diamantenen Blütenblättern beworfen werden wollen.
Während die Vorbereitungen laufen, tobt in Venedig der Protest. Aktivisten blockieren Brücken, schwenken Fahnen und halten Banner in die Luft. „No space for Bezos“ steht auf einigen. „Wir werden den Zugang zur Kirche vom Meer aus mit Booten und vom Land aus mit unseren eigenen Körpern verhindern“, drohte eine Aktivistin in der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“ gar.
Venezianer als Komparsen bei der Hochzeit von Jeff Bezos
Die Wut der Venezianer ist einerseits verständlich. Schon vor diesem rührenden Spektakel konnten sie kaum das Fenster öffnen, ohne dass ihnen der Selfie-Stick einer #travelbloggerin ins Auge stach. Die Gassen der Lagune sind von Touristen verstopft, die Kosten für das Leben in der Stadt steigen und die UNESCO hat Venedig als gefährdetes Weltkulturerbe eingestuft. Anwohner verkommen zu Komparsen in ihrer eigenen Heimat.
Und jetzt soll die Stadt auch noch als Kulisse für die Hochzeit eines Mannes mit Weltherrschaftsambitionen dienen. Was die Venezianer bei George und Amal Clooney noch feierten, wird ihnen bei Jeff Bezos zu viel. Um die 250 Gäste reisen an, Schaulustige nicht mitgezählt.
Dabei kämpft Venedig gerade mit aller Kraft gegen den Massentourismus. Tagesbesucher müssen mittlerweile Eintrittsgeld bezahlen, Reiseleiter dürfen nicht mehr überall Lautsprecher verwenden, die Anzahl der Touristen innerhalb einer Reisegruppe wurde beschränkt. Zusätzlich will die Stadt den Tourismus nachhaltiger gestalten, etwa die öffentlichen Verkehrsmittel verbessern.
Das Problem dabei ist: All das kostet viel Geld. Geld, das Venedig aktuell kaum hat. Kein Wunder also, dass sich der Bürgermeister Luigi Brugnaro über die Hochzeit von Jeff Bezos freut. Mit den Promigästen schippert auch das Geld über den Canal Grande. Laut „Corriere“ sollen allein die Wassertaxifahrer ihre Preise rund um die Hochzeitsdaten verdoppeln – Gäste wie Katy Perry oder Königin Rania von Jordanien können es sich leisten. Auch Konditoren, Glasbläser und Mitarbeiter der zuständigen Hochzeitsagentur „Lanza e Baucina“ dürften ordentlich Umsatz machen.
Jeff Bezos bittet um Spenden
Schätzungsweise fließen mindestens zehn Millionen Euro in die Stadt, hieß es mal, und nun werden es noch deutlich mehr: Die Weltretter Bezos und Sánchez haben ihre illustren Gäste gebeten, für den Erhalt von Venedig zu spenden. Das bestätigte Toto Bergamo Rossi, der Direktor von „Venetian Heritage“ (VH), einem internationalen Komitee zur Rettung Venedigs, im „Standard“. Er ist der Meinung, dass 250 Hochzeitsgäste „keine Tragödie“ seien. Hochkarätige Promis sind tatsächlich weniger für ihren Geiz bekannt. Venedig könnte enorm von dieser Hochzeit profitieren.
Also, liebe Venezianer, lasst Lauren Sánchez und Jeff Bezos doch so albern feiern, wie sie wollen – und genießt später die Vorteile, die sie eurer schönen Stadt bescheren. Und waren nicht schon nervigere Touristen in Venedig als Oprah Winfrey, Kim Kardashian und Anna Wintour?
Aufpassen muss man natürlich nur, dass man in den Tagen der rauschhaften Liebesinszenierung nicht von der Handtasche von Ivanka Trump erschlagen wird. Die Präsidententochter ist laut „New York Post“ nämlich auch eingeladen.