Kritik an Wolfram Weimer: Ist die Digitalabgabe für große Konzerne eine Luftnummer?

Kulturstaatsminister Weimer will die großen Digitalkonzerne zur Kasse bitten. Doch eine Anfrage zeigt: Die Pläne für eine Digitalabgabe sind bislang reichlich unkonkret.
Wolfram Weimer, Kulturstaatsminister, will stärker gegen die Marktmacht digitaler Plattformen vorgehen. Das umfasse steuerrechtliche, kartellrechtliche und regulatorische Fragen, bekräftigte der parteilose Politiker erst vor wenigen Tagen in einem Interview. Er habe dabei „beim Steuerrecht angefangen und eine Initiative für einen Plattform-Soli gestartet“, sagte er dem „Hamburger Abendblatt“. „Damit könnten wir Milliarden erzielen, die unser Mediensystem so stärken, dass es nicht weiter von amerikanischen und chinesischen Monopolisten deformiert wird.“
Müssen die Betreiber von Facebook, Instagram, Tiktok und Co. also bald ordentlich Geld an den deutschen Staat abtreten? Entgegen der öffentlichen Äußerungen des Staatsministers, der in einem stern-Interview bereits das „Modell Österreich“ und einen Abgabesatz von zehn Prozent ins Spiel gebracht hatte, sind die Pläne zu einem solchen „Plattform-Soli“ bislang reichlich unkonkret. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag hervor, die dem stern exklusiv vorliegt.
Digitalabgabe: Viel angekündigt, bislang wenig geplant
Die Bundesregierung prüfe „derzeit unterschiedliche Ausgestaltungen einer möglichen Abgabe für Online-Plattformen„, heißt es in Weimers Dokument. Wie genau der Prüfauftrag aus dem Koalitionsvertrag aber aussieht, etwa welche Fragen mit diesem nach welchen Kriterien beantwortet werden sollen, das wird nicht beantwortet. Ebenso wenig wird erklärt, was der Zeitplan für die Umsetzung der Prüfung ist.
Auch wer genau davon potenziell betroffen wäre, geht aus der Antwort der Bundesregierung nicht hervor. Auf die Frage, was die Bundesregierung unter dem Sammelbegriff „Online-Plattformen“ verstehe und welche gängigen Geschäftsmodelle digitaler Konzerne das beträfe, verweist Weimer auf die laufende Prüfung. „Eine abschließende Definition des Begriffs ‚Online-Plattform‘ im Kontext des Prüfauftrags liegt daher derzeit nicht vor.“
Weimer hatte im stern-Interview gesagt, man halte „einen Abgabesatz von zehn Prozent für moderat und legitim“. Dies wird nun in der Antwort der Bundesregierung nicht bekräftigt. Die Höhe sei Teil der „laufenden Prüfung“, ebenso eine „steuerliche als auch eine nichtsteuerliche Ausgestaltung im Sinne einer fiskalischen Sonderabgabe“, die Bemessungsgrundlage, etwaige Schwellenwerte, „sowie mögliche Auswirkungen dieser noch festzulegenden Parameter auf die deutsche Wirtschaft“. Eine Schätzung zu potenziellen Einnahmen könne erst nach Festlegung der Parameter vorgenommen werden. Die Prüfung umfasse außerdem eine „Bewertung der europarechtlichen Vereinbarkeit“, so heißt es in dem Dokument.
Grüne: „Regierungshandeln erfordert mehr als Schlagzeilen“
Von den Grünen kommt deutliche Kritik. Es sei „durchaus bemerkenswert, wie ein politisches Vorhaben, das bislang nicht über eine bloße Idee hinausgekommen ist, vom Kulturstaatsminister mit großen Ankündigungen in zahlreichen Interviews breitgetreten wird“, sagte Misbah Khan, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, dem stern. „Auch die bislang geäußerten Aussagen Weimers zur angeblichen Höhe des Solis, zur Auswahl der betroffenen Plattformen und zur Verwendung der Mittel bleiben vollkommen substanzlos.“
Regierungshandeln erfordere mehr als Schlagzeilen und Interviewauftritte, mahnte Khan weiter. „Die Kultur- und Medienlandschaft erwartet zu Recht, dass auf die Diagnose der Schieflage zwischen klassischen Kultur- und Medienangeboten und der enormen Marktmacht digitaler Plattformen endlich konkrete und wirksame Maßnahmen folgen.“
Khan nimmt den Finanzminister und SPD-Chef in die Pflicht: Sollte es Weimer nicht „zeitnah gelingen, das gut gemeinte Vorhaben voranzubringen“, liege es in Lars Klingbeils Verantwortung, „für die Umsetzung des Koalitionsvertrages Sorge zu tragen“.
Allerdings steht im schwarz-roten Koalitionsvertrag lediglich, dass man eine Abgabe für große Online-Plattformen prüfe. Weimer hatte das Vorhaben im stern-Interview mit „monopolähnlichen Strukturen“ begründet, die den Wettbewerb einschränkten und die Medienmacht zu stark konzentrierten. „Zum anderen machen die Konzerne in Deutschland Milliardengeschäfte mit sehr hohen Margen und profitierten enorm von der medialen und kulturellen Leistung sowie der Infrastruktur unseres Landes – sie zahlen aber kaum Steuern, investieren zu wenig und geben der Gesellschaft viel zu wenig zurück“, sagte er.
Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche hat Weimers Forderungen bereits widersprochen. „Wir sollten nicht über mehr, sondern über weniger Handelshemmnisse sprechen“, sagte die CDU-Politikerin. In der Bundesregierung war damals betont worden, der Vorstoß des Kulturstaatsministers sei in der Regierung nicht abgestimmt und angesichts der Zollverhandlungen der EU mit den USA zur Unzeit gekommen. In der EU gibt es Digitalsteuern in einigen Staaten, aber keine EU-weite Regelung.