Verkehrsunfälle: Unfallforscher: Berlin kann von Helsinki lernen

Verkehrsunfälle sind kein Schicksal. Die Leiterin der Unfallforschung der Versicherer plädiert für mehr Überwege für Fußgänger, mehr Zebrastreifen, mehr Kontrollen und einen Blick nach Helsinki.
Ein Blick nach Helsinki könnte nach Einschätzung von Experten helfen, die Zahl der Opfer von Verkehrsunfällen in Berlin zu verringern. „Helsinki ist ein sehr positives Beispiel“, sagte die Leiterin der Unfallforschung der Versicherer (UDV), Kirstin Zeidler, der Deutschen Presse-Agentur mit Hinweis auf den deutlichen Rückgang der Zahl der Verkehrstoten in der finnischen Hauptstadt.
„Helsinki hat massiv und ausdauernd an vielen Stellschrauben gedreht. Man hat dort sehr viel für die Sicherheit von Fußgängern und Radfahrern getan“, sagte Zeidler. Das gilt nicht nur für weiträumige Tempo-30-Zonen in der Innenstadt und in Wohngegenden.
„Vor allem wurde deutlich in Infrastruktur investiert, etwa in Radwege und Überwege für Fußgänger, aber auch in Verkehrserziehung“, sagte Zeidler. Auch die Verkehrskontrollen und der ÖPNV seien erheblich ausgebaut worden.
Helsinki ist deutlich kleiner als Berlin
Helsinki und das mehr als fünfmal so große Berlin seien schwer zu vergleichen etwa mit Blick Verkehrsdichte, Verkehrsverhalten oder auch die Länge der Wege. „Trotzdem ließe sich von dort einiges übernehmen“, sagte Zeidler.
In Berlin gebe es gerade bei der Infrastruktur Nachholbedarf. „Dabei sollten wir in den Blick nehmen: Wo kommen sich Fußgänger, Radfahrer und motorisierte Fahrzeuge im Straßenverkehr in die Quere?“
Für Radfahrer seien vor allem Kreuzungen und Grundstücksein- und -ausfahrten die Unfall-Hotspots. „Wenn wir da was erreichen wollen, müssen wir für freie Sicht sorgen“, sagte Zeidler.
„Sehen und gesehen werden ist an Kreuzungen und Einmündungen oft ein Problem. Es hilft zum Beispiel, große Sichtdreiecke zu schaffen und auch illegales Parken an diesen Stellen zu verhindern.“
Wichtig seien außerdem getrennte Ampelphasen: „Wenn Autos und Lkw Rot haben, bekommen Fußgänger und Radfahrer Grün und umgekehrt. Das halten wir für die beste Lösung, weil es Berührungspunkte vermeidet und sich vergleichsweise schnell umsetzen lässt.“
Fußgänger brauchen mehr Überwege
„Bei Fußgängern ist das Hauptunfallszenario, wenn sie die Fahrbahn überqueren und es zur Kollision kommt“, erklärte Zeidler. Dort, wo entsprechender Bedarf bestehe, seien deshalb viel mehr Überwege nötig.
„Ich bin ein großer Fan der Mittelinsel. Sie ist sehr sicher, wie unsere Forschung zeigt.“ Gerade Ältere und Kinder profitierten davon, wenn sie in zwei Phasen über die Straße gehen könnten. „Ist der Platz dafür nicht da, sind Zebrastreifen oder Fußgängerampeln gute Alternativen.“ Berlin habe hier großen Nachholbedarf wie andere Großstädte in Deutschland auch.
Helsinki als Vorbild bei Vision Zero
„Helsinki hat auch die Verkehrs- und Geschwindigkeitskontrollen sehr stark ausgebaut“, sagte Zeidler. „Wir wissen: Höchstgeschwindigkeiten sind das eine, dass sie ohne ausreichende Kontrollen regelmäßig nicht eingehalten werden, das andere.“ Das gelte genauso für andere Verkehrsverstöße.
„Es gibt die Möglichkeit, feste Blitzer an typischen Unfallschwerpunkten aufzustellen, zum Beispiel vor Schulen und Seniorenheimen“, sagte Zeidler. „Und man braucht zusätzlich auch mobile Blitzer, von denen nicht bekannt ist, wo sie stehen.“
Helsinki gilt als Vorbild beim Umsetzen der Vision Zero, der sich auch der Berliner Senat verpflichtet fühlt. Das Ziel ist, die Zahl der Getöteten und Schwerverletzten im Straßenverkehr auf null zu verringern.
Berlin ist davon noch weit entfernt. Im vergangenen Jahr kamen in der deutschen Hauptstadt 55 Menschen im Straßenverkehr ums Leben, davon waren 24 Fußgänger. Helsinki machte Ende Juli Schlagzeilen, weil es dort ein Jahr lang keinen Verkehrstoten mehr gegeben hatte.