Nationalteam bei der EM: Chef auf Zeit: Ibrahimagic treibt Rekord-Basketballer an

Vier Spiele, vier Siege, 134 Punkte Differenz: Unter Alan Ibrahimagic dominieren Deutschlands Basketballer wie sonst nur die USA. Doch der Übergangstrainer hat keine eigenen Ambitionen.

Wenn Alan Ibrahimagic in Tampere von den Spielen der Basketball-EM ins Hotel zurückkehrt, wird er schon sehnsüchtig erwartet. Deutschlands Bundestrainer auf Zeit bespricht sich dann in den bisher so erfolgreichen Tagen mit seinem Chef Alex Mumbru, der nach starken Bauchschmerzen („akutes Abdomen“) fast eine Woche in einem finnischen Krankenhaus lag – das deutsche Nationalteam aber in allerbesten Händen wähnt.

Assistent Ibrahimagic, der über Nacht zum Chef wurde, treibt Dennis Schröder und Co. bei der Europameisterschaft von Rekord zu Rekord. „Ich bin stolz auf die Mannschaft, wie sie auftritt“, sagte Ibrahimagic nach dem fulminanten 120:57 gegen Großbritannien. Der 63-Punkte-Erfolg war der höchste EM-Sieg seit 1969, der deutlichste Erfolg eines deutschen Teams in der EM-Geschichte sowie die höchste Punkteanzahl eines EM-Teams seit 30 Jahren.

Wagner: „Alan ist einer meiner Lieblingsmenschen“

Während sich Bundestrainer Mumbru weiter erholt und an einem Comeback arbeitet, dürfte Ibrahimagic auch das Gruppenfinale gegen Gastgeber Finnland am Mittwoch (19.30 Uhr/RTL und MagentaSport) an der Seitenlinie verantworten. Im mit knapp 13.000 Fans besetzten Hexenkessel von Tampere geht es dann um Platz eins – doch nach vier Siegen mit insgesamt 134 Punkten Differenz gibt es keinerlei Zweifel an einem deutschen Gruppensieg.

Bei den Spielern und im Team ist Ibrahimagic beliebt. „Alan ist einer meiner absoluten Lieblingsmenschen. Top-Level, was den Coach angeht, aber auch als Mensch. Er hat ein total gutes Gefühl für Team-Dynamiken und Beziehungen“, beschrieb der verletzte Moritz Wagner bei MagentaSport. Ibrahimagic war jahrelang Trainer von U-Nationalmannschaften und sammelte jüngst mit der Generation um Hannes Steinbach und Christian Anderson Medaillen.

Turbo-Basketball à la Mumbru

Der 47 Jahre alte Trainer mit Wurzeln in Bosnien und Australien setzt sein Wissen aus dem Juniorenbereich einfach bei den Herren um – und ist fast schon unheimlich erfolgreich. „Alan macht es super. Er hat uns viel Selbstvertrauen gegeben“, beschrieb NBA-Jungstar Franz Wagner. Auf dem Parkett lässt Ibrahimagic den von Mumbru geplanten Turbo-Basketball umsetzen: schnell vorne sein, früh abschließen.

Das funktioniert. „Wir sind ihnen davongelaufen“, sagte Oscar da Silva nach der Gala gegen Großbritannien – die Zuschreibung hätte aber auch auf die ersten drei dominanten Siege gegen Montenegro (106:76), Schweden (105:83) und Litauen (107:88) gepasst. An den ersten sechs EM-Tagen knackten drei andere Teams je einmal die 100-Punkte-Marke – Deutschland alleine gelang dies viermal.

Mumbru ist seit Samstagabend zurück aus dem Krankenhaus – und peilt nach eigenen Worten erst in Riga ein Comeback an der Seitenlinie an. Die deutschen Spiele hat er vom Krankenbett aus gesehen. „Ich freue mich, dass die Mannschaft bisher so gut aufgetreten ist und bin in enger Verbindung mit dem Coaching Staff, zu dem ich volles Vertrauen habe“, sagte der Spanier. Für ihn sollte es als Nachfolger von Weltmeister-Coach Gordon Herbert das erste Turnier werden.

Ibrahimagic kommt nicht eitel daher

Ibrahimagic ist das ganze Tamtam um seine Person fast etwas unangenehm. Nach dem Rekordsieg gegen die Briten wirkte der Chef auf Zeit fast schon dankbar, dass in der Interview-Zone die Spieler an den Mikrofonen standen – so konnte er dahinter durchschleichen. Die täglichen Pressekonferenzen moderiert er inzwischen mit Leichtigkeit weg.

Der mediale Rummel ist nicht die Währung von Ibrahimagic, der unprätentiös und überhaupt nicht eitel daherkommt. Zur Lösung nach dem Mumbru-Schreck kommentierte er: „Wir haben bisher alles im Team gemacht. Ich fühle mich so, als ob wir es gemeinsam machen. Einer muss da vorne stehen, das bin ich.“ Ibrahimagic, so wirkt es, ist froh und dankbar, wenn Mumbru ihm diese Last wieder abnimmt.